Seyon

In Neuchâtel überlasse ich die Orientierung mit den vielen Autobahnanschlüssen, Tunnels und Verzweigungen dem Buschauffeur. Er kennt sich bestens aus und lässt mich gerne bei der Haltestelle Vauseyon aussteigen.

Vom Kreisel aus unterquere ich die imposanten Brücke der A20 und zweige dann auf der Gegenseite des Flusses nach links ab. Der beschilderte Wanderweg führt nun nach Norden, hinein in die Enge der Schlucht. Da am Ufer kein Platz ist, wandere ich etwas erhöht und meide so die stotzigen Felswände. Auf der Gegenseite brummt der Verkehr auf der Hälfte der A20. Die andere Fahrtrichtung verläuft im Berg.

Gemächlich steigt mein Weg hinan durch den Forêt du Château und senkt sich dann wieder nach Valangin. Das Schloss am Dorfeingang beherbergt ein sehenswertes Museum.

Von der Brücke aus geht’s wieder aufwärts mitten in das locker gebaute Fenin mit noch einem Château. Bei der Skulptur an dessen Wand bin ich mir nicht ganz sicher, ob das der Glöckner oder ein wehrhafter Gehängter sein soll.

Am Waldrand beginnt dann der eigentlich Aufstieg, es sind immerhin 400 Höhenmeter zu bewältigen. Der gute Weg lässt es problemlos zu, den Blick immer wieder schweifen zu lassen hinaus ins breite Tal mit den wie auf einer Schnur aufgezogenen Dörfern.

Weiter oben, auf dem Rücken des Chaumont wechseln sich Waldpartien und Lichtungen ab, in denen einzelne Häuschen stehen. Wo es die Bäume zulassen, kann ich über das westliche Mittelland bis zu den Alpengipfeln blicken. Eine fantastische Aussicht!

Bei der Pré-aux-Plânes habe ich den höchsten Punkt des Weges erreicht und spaziere gemütlich hinab zur Siedlung Chaumont mit dem stattlichen Hotel und der Seilbahnstation etwas tiefer. Die Besteigung des Betonturms gleich daneben lasse ich mir entgehen. Er bietet ein atemberaubendes Panorama und kostet nur 1 Franken!

Gut versteckt liegt das Rudolfstal, wie das Val de Ruz früher genannt wurde, hinter dem Neuenburger Hausberg, dem Chaumont. Mittendurch fliesst der Seyon, der sich durch eine enge Schlucht den Weg zum Neuenburgersee geschaffen hat.

Durch diese führen alle Strassen-Verbindungen vom Mittelland nach La Chaux-de-Fonds, die Eisenbahn macht einen gewaltigen Umweg zur Areuse-Schlucht. Dort beschreibt sie aus Mangel an Platz eine Spitzkehre, d.h. die Züge fahren vorwärts in die Station Chambrelien hinein und rückwärts wieder hinaus.

Das Val de Ruz ist von Villiers nach Montmollon etwa 13km lang und senkt sich von 900müM um etwa 200 Höhenmeter. Es bildet eine über 4km breite Synklinale, also eine Längsmulde, zwischen den beiden bogeninnersten Juraketten. Ihre tieferen Lagen sind mit Sandstein und Mergelschichten angefüllt, welche aus den Vogesen hierher verfrachtet worden sind. Vor 2 Millionen Jahren legten sich dann Kalksteinablagerungen darüber, die von Gletschern transportiert wurden.

Im Tal wohnen etwa 15’000 Menschen, davon etwas über 2000 im Hauptort Cernier. Sie arbeiten hauptsächlich in der Landwirtschaft. Das Kulturland wurde schon vor Jahrhunderten gerodet und die moorigen Niederungen entwässert. Auf den nahen Jurahöhen betreiben sie über den Sommer Alpwirtschaft. Allerdings nimmt die Anzahl der Pendler stetig zu, sodass die Milch- und Viehzuchbetriebe laufend schwindet. Als spezialisiertes Gewerbe konnte sich über lange Zeit die Hutmacherei behaupten, aber wie auch die Uhrenindustrie scheint dieser Wirtschaftszweig den aktuellen Schwierigkeiten kaum etwas entgegen setzen zu können.

Verkehrstechnisch ist das Val de Ruz mit der teilweise vierspurig ausgebauten Schnellstrasse H20 sehr gut angebunden. Fast alle zwei Kilometer verfügt sie über eine Zu- bzw. Abfahrt und der Pass Vue des Alpes ist untertunnelt. Eine neue Eisenbahnverbindung wird schon seit Jahren gefordert, die Pläne dazu sind gezeichnet, aber die Politiker zögern wegen der immensen Kosten.